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Präzisionscheck - Die Wahrheit liegt im Messzentrum Chemnitz

Bei Hochpräzisionsteilen schlägt die Stunde der Wahrheit in der Qualitätssicherung: Sie steht und fällt mit akribisch geplanter Messung mit lückenloser Dokumentation. Eine wichtige Rolle in Sachen μm-Präzision spielt seit sechs Jahren das Messzentrum Chemnitz, das nicht nur intern für die Starrag Group, sondern auch für externe Kunden arbeitet. Ein Highlight: gleichzeitiger Präzisionscheck von mehreren Bauteilen in der Geisterschicht.

»Messen ist Wissen«, erkannte bereits im 19. Jahrhundert Werner von Siemens. An dieser Binsenwahrheit hat sich auch bald 200 Jahre später nichts geändert. Bauteile lassen sich zwar heute mithilfe von Software sehr zuverlässig und genau berechnen, konstruieren und ihr Herstellprozess simulieren, doch am Ende steht bei hochpräzisen Werkstücken immer noch die Endkontrolle auf einer Messmaschine an.

Messzentrum: Hochpräzision auch für XXL-Formate

Diese Aufgabe übernimmt seit Mai 2016 das Messzentrum Chemnitz. Erfahrene Fachleute überprüfen mit vier 3D-Messmaschinen und Programmierarbeitsplätzen von ZEISS nicht nur die Massgenauigkeit von kleinen und mittleren Werkstücken, sondern sie vermessen auch gigantische, bis zu 12 Tonnen schwere Grossteile.

»Unser Präzisionsmessraum erfüllt die strengen Vorgaben der deutschen VDIRegel 2627«, erklärt stolz Jens Knöfel, Head of Quality Management (QM). »Das ist die höchste standardisierte Stufe, die es gibt. Unser Markenzeichen sind die Genauigkeiten, die wir mit diesem Messzentrum erreichen.« Und sie können sich sehen lassen: Die ZEISS MICURA misst zum Beispiel Bauteile mit einer Kantenlänge von 400 mm auf 0,7 μm exakt.

Hochpräzisionsmessung dank Strömungsoptimierung und Schwingungsentkopplung

Diese Hochpräzision verdankt Chemnitz auch dem ganzheitlichen Zusammenspiel vieler Massnahmen: Wenn Ultrahochpräzision gefragt ist, kommt das Werkstück in den separaten, vollklimatisierten Bereich, der dank ausgeklügeltem Lüftungskonzept in der höchsten Klimaklasse 1 die Temperatur konstant auf 20 °C hält – mit einer maximalen Differenz von 0,2 K. Damit vorbeifahrende Lkw oder schwingende Maschinen aus Nachbarhallen das Messergebnis nicht verfälschen, stehen die Messmaschinen auf einem schwingungsentkoppelten Fundament und Bodenplatten-Ensemble.

Die Auswahl des Messquartetts in Chemnitz geschah gezielt. »Das Grossteile- Portal-Koordinatenmesszentrum MMZ, die Hochgenauigkeits-Messmaschine MICURA und die beiden 3D-Koordinatenmessmaschinen PRISMO sind von der Grösse der Teile her so aufeinander abgestuft, dass wir Redundanzen erhalten«, sagt der QM-Leiter. »Ich kann daher auch eine Maschine für ein Kundenprojekt komplett freihalten.« Auf die vier Maschinen passen kleine Bauteile mit einer Kantenlänge von 500 mm, mittlere Werkstücke (900 mm × 1.800 mm × 700 mm) und XXL-Komponenten mit einem maximalen Messvolumen von 27 m³. »In die MMZ passt sogar ein kleines Auto oder ein komplettes Heckert-Maschinenbett «, so der Fachmann. »Ich bin oft bei Kunden und Lieferanten, doch bei keiner Firma – darunter zahlreiche namhafte Unternehmen – sah ich ein vergleichbar ausgestattetes Zentrum.«

Die neueste Investition ist eine ZEISS PRISMO mit Drehtisch, um durchgängig vierachsig zu messen. Damit reagiert das Messzentrum auf den Trend bei Starrag und seinen Kunden, Präzisionsbauteile vier- und fünfachsig zu bearbeiten. »Mit einer Dreiachs-Messmaschine lässt sich ein Zylinder mit vielen Bohrungen nicht komplett vermessen, weil der Messfühler nicht in jede Bohrung hineinkommt«, nennt Knöfel ein häufiges Beispiel aus der Praxis. »Der Drehtisch ermöglicht uns, den Zylinder so zu positionieren, dass die Messung gelingt. Dank Drehtisch ist die PRISMO nun auch eine Vierachs- 3D-Koordinatenmessmaschine – und das hat nicht jeder.«

Hohe Fachkompetenz: Drei Qualitätsingenieure programmieren und bedienen

Auch in einem weiteren Punkt unterscheidet sich das Messzentrum von anderen: Statt nur einer Station gibt es vier ZEISS-Programmierarbeitsplätze, auf denen Fachleute mit dem Programm ZEISS CALYPSO Messprogramme erstellen. Der Vorteil: Weil das Programmieren entkoppelt vom Messvorgang abläuft, wird keine Messmaschine blockiert. »Auch die Fachkompetenz ist bemerkenswert «, betont der QM-Leiter. »Unsere drei Qualitätsingenieure programmieren und bedienen die vier Messmaschinen – unterstützt von einem Facharbeiter als Springer. Diese Fachleute zeichnen sich besonders durch ihre langjährigen Erfahrungen aus, die ihnen helfen, Messergebnisse richtig zu interpretieren.« Eine anspruchsvolle Aufgabe bei Lohnmessaufträgen, die sich oft im engen Toleranzfeld von vier bis fünf Mikrometern bewegen – weit ausserhalb des üblichen Grenzbereichs von Bearbeitungszentren.

»In die MMZ passt sogar ein kleines Auto oder ein komplettes Heckert- Maschinenbett.«

Als Kompetenzzentrum der Gruppe betreuen die Fachleute vor allem die Starrag- Werke in Bielefeld, Rorschacherberg und Chemnitz. Gefragt ist die Messkopetenz in speziellem Masse, wenn Starrag eine Heckert-Maschine mit kompletter Technologie verkauft. Ein typisches Beispiel sind Zentren zum Bearbeiten von Motorblöcken. Das Messzentrum weist dann nach, dass die Werkzeugmaschine richtig eingefahren wurde und die Motorblöcke die strengen Toleranzvorgaben des Lastenhefts exakt einhalten.

Die sächsische Messkompetenz kam von Beginn weg an, auch extern: So übernahm Chemnitz im Auftrag der Deutschen Bahn die Kalibrierung von Radachsen, bis das Staatsunternehmen sich eigene Messtechnik zulegte. Starrag will seine Messdienste nun verstärkt auch seiner typischen Kundschaft anbieten: Dazu zählen zum Beispiel Hersteller von Kompressoren, Elektro- und Verbrennungsmotoren für die Autoindustrie, Antrieben für Lkw, Baumaschinen, Landtechnik oder Schiffe sowie von Industriebauteilen aller Art.

Sichere Messarbeit auch bei Entwicklungsaufträgen

Doch wie sorgt Chemnitz für Vertraulichkeit – etwa beim Qualitätscheck von Prototypen? »Nur Zutrittsberechtigte können den 250 Quadratmeter grossen, strikt von der übrigen Produktion getrennten Messraum durch ein gesichertes Rolltor betreten«, erläutert Knöfel. »Wir wissen dank Kartenleser-Einsatz immer, wer hier wann ein- und ausgeht.«

Chemnitz fühlt sich gewappnet, mehrere Projekte auf einmal zu stemmen. »Oft haben wir kurzfristig zwei oder drei, aber manchmal gleichzeitig auch bis zu acht längere Projekte«, berichtet der QMLeiter. »Dann gehen wir die Arbeit in zwei bis drei Schichten an. Das erfordert schon eine sehr hohe Flexibilität der Mitarbeiter.«

Die Sachsen sind aber auch in Sachen Messtechnik flexibel: So gingen sie neulich eine Spezialität an, die bisher nur sehr wenige beherrschen. »Aufgrund unserer Maschinengrösse können wir Teile mit Mehrfachspannung messen«, nennt Knöfel Details. »Wir haben zum Beispiel vor Kurzem acht Bauteile in Mehrfachspannung mannlos eingefahren und gemessen. Mit einer solchen späten Geisterschicht lassen sich die Flexibilität und Performance von Bearbeitungsprozessen enorm steigern.«