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Planetenradträgerbearbeitung in zwei Spannlagen

Effizienz hat einen Namen: Heckert T45.

Seit über zwei Jahren fertigt Voith in Garching Planetenradträger für Busgetriebe auf einer einzigartigen, roboterautomatisierten Fertigungsanlage. Kernelemente sind zwei fünfachsige multifunktionale BAZ Heckert T45 mit Drehfunktion. Sie ermöglichen jeweils die Komplettbearbeitung in nur zwei Spannlagen. Der Effekt ist gewaltig: Gegenüber der vorherigen konventionellen Fertigung auf insgesamt neun Maschinen ist der Flächenbedarf auf ein Viertel geschrumpft, die Bearbeitungszeit um 30 % gesunken und jedes Bauteil benötigt nur noch 20 % der Durchlaufzeit.

Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit dem öffentlichen Bus durch die Stadt: Er hält an zum Ein- und Ausstieg, fährt wieder an, beschleunigt, bremst, hält – und so fort. Sie bemerken kein Ruckeln beim An- und Losfahren, vernehmen keine Schaltgeräusche? Dann ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass der Bus mit einem Voith-DIWA-Automatikgetriebe ausgestattet ist. »DIWA« steht für den im Getriebe enthaltenen Differenzialwandler, der ein gleichmässiges Anfahren über einen Geschwindigkeitsbereich ermöglicht, in dem andere Getriebe zwei- bis dreimal schalten müssen.

Weltweit sind aktuell mehr als 160.000 DIWA-Automatikgetriebe im operativen Einsatz. Nicht ohne Grund, denn Innovationen und höchste Qualität machen die DIWA-Getriebe bei Fahrgästen, Fahrern und daher auch bei Busunternehmern und -herstellern so beliebt. Zumal sie durch geringeren Kraftstoffverbrauch höhere Wirtschaftlichkeit gewährleisten. Entscheidend für diesen Erfolg sind jedoch nicht nur die technischen Innovationen. Ebenso wichtig sind Liefertreue, Flexibilität und ein konkurrenzfähiges Preis-Leistungs-Verhältnis. »Wir überprüfen unsere Fertigung permanent auf Optimierungsmöglichkeiten«, sagt Friedrich Oberländer, Leiter Produktionstechnologie bei Voith Turbo am Stammsitz Heidenheim. »Unser Fokus liegt dabei auf der Optimierung des Automatisierungsgrads, der Technologiedaten in den Prozessen und wie wir nicht automatisierbare Anteile intelligent für die Mitarbeiter gestalten können.«

Friedrich Oberländer, Leiter Produktionstechnologie bei Voith Turbo

»Durch die Automatisierung der Fertigungsanlage können wir Ressourcen zukünftig noch besser steuern und unsere qualifizierten Arbeitskräfte wirkungsvoll einsetzen.«

Fertigungskonzepte auf dem Prüfstand

Auch der Standort Garching, an dem die Getriebe von Voith produziert werden, ist von diesen Anforderungen betroffen. »Wir pflegen eine hohe Fertigungstiefe, um unsere Flexibilität und Wirtschaftlichkeit steuern zu können«, erklärt der Garchinger Fertigungsleiter Vincent Ross. »Dafür müssen wir jedoch die Prozesse ständig bezüglich etwaiger Optimierungsmöglichkeiten hinterfragen.«

Bei der Fertigungsanlage für die in den aktuellen DIWA-Getrieben verbauten Planetenradträger stellten die Verantwortlichen 2018 einen Verbesserungsbedarf fest. Ausserdem war der damalige Herstellungsprozess sequenziell mehrstufig angelegt, was nicht mehr den technischen Möglichkeiten entsprach. »Es war zwingend notwendig, den Prozess zu verschlanken und innovative Technologien einzusetzen«, betont Friedrich Oberländer, der standortübergreifend für derartige Belange zuständig ist. »Wir haben uns bei Serienprodukten auf die Fahnen geschrieben, maximale Automatisierung mit optimierter Fertigungstechnologie zu verbinden.«

Friedrich Oberländer, Leiter Produktions- technologie bei Voith Turbo

»Wir haben uns bei Serienprodukten auf die Fahnen ge- schrieben, maximale Automatisierung mit optimierter Fertigungstechnologie zu verbinden.«

Die Heckert T45 – Schlüssel zur optimierten Fertigung

Eine Idee dafür entwickelte Oberländer, als er auf der AMB 2018 den Starrag-Stand besuchte. Beim Anblick der damals brandneuen fünfachsigen Kompaktmaschine Heckert T45 mit Drehfunktion erkannte er ihr Potenzial für die Planetenradträgerfertigung. »Durch den robusten Aufbau und vor allem durch den schnellen, leistungsstarken Drehtisch kann dieses Bearbeitungszentrum den gesamten, bisher sechsstufigen Herstellprozess auf einer einzigen Maschine in nur zwei Aufspannungen erledigen.«

Es folgten zahlreiche Gespräche mit den Starrag-Maschinenbauern aus Chemnitz, aber auch mit anderen Herstellern von fünfachsigen Bearbeitungszentren. Vincent Ross, mit in den Entscheidungsprozess eingebunden, berichtet: »Wir haben eine strukturierte Analyse mit integrierter Risikobetrachtung erstellt, bevor die Entscheidung für die Starrag-Anlage gefällt wurde.« Friedrich Oberländer nennt das Hauptargument: »Starrag war damals der einzige Anbieter, der mit der Heckert T45 ein kompaktes Fräs-Drehzentrum mit 400er-Palette und den für unseren Einsatz erforderlichen Drehzahlen und Drehmomenten anbot. Auch die gute Erfahrung aus der Vergangenheit spielte eine Rolle. Schliesslich sind wir schon seit Langem Starrag-Kunde und mit unseren Heckert-Bearbeitungszentren sowie dem Support sehr zufrieden.«

Vincent Ross, Voith Turbo, Fertigungsleiter in Garching

»Seit gut 24 Monaten können wir einen OEE von über 90 % nachweisen.«

Erfolgreiche Entwicklungspartnerschaft

Bei der konzeptionellen Planung der Fertigungsanlage arbeiteten Voith und Starrag eng zusammen. Vincent Ross erklärt: »Wir haben mehrere Konzepte angedacht, auch ein Transfersystem ohne Robotik. Aber unserer Strategie folgend, die Automatisierung so flexibel wie möglich zu gestalten, entschieden wir uns für eine Lösung mit Gelenkarmroboter. Mit diesem können wir nicht nur Bauteile zu- und abführen, sondern auch das Umrüsten der Maschinen automatisiert erledigen.«

Zur Umsetzung nahm Starrag noch einen externen Automatisierungsspezialisten mit ins Boot. In dieser Dreierkonstellation entstand eine Fertigungszelle, die aus zwei Heckert-T45-Bearbeitungszentren und einem Roboter mit bis zu 500 kg Traglast besteht. Er prüft die eingehenden Rohlinge und be- bzw. entlädt die beiden Bearbeitungszentren. Bei einem anstehenden Serienwechsel – es werden derzeit drei verschiedene Planetenradträger in insgesamt 20 Varianten bearbeitet – rüstet er hauptzeitparallel die erforderlichen Greifer und wechselt in den Maschinen die Spannvorrichtungen. Greifer sowie die aus Paletten, Unterbauzylinder und Kraftspannfutter bestehenden Vorrichtungen liegen bereits vormontiert im Lagersystem der Roboterzelle. Die Rohlinge und die komplett bearbeiteten Planetenradträger werden auf zwei unabhängigen Transportbändern in die Anlage bzw. aus ihr heraus befördert.

Friedrich Oberländer, Leiter Produktionstechnologie bei Voith Turbo

»Durch den minimalen Umrüstaufwand zwischen den Varianten sind wir deutlich flexibler geworden.«

Entscheidende Faktoren: Kompetenz und Engagement der Mitarbeiter

»Gemeinsam ist es uns gelungen, ein völlig neues Fertigungssystem für Planetenradträger zu installieren, das uns durch seine Effizienz nach wie vor enorm begeistert«, sagt Vincent Ross. Er weist dabei auf einen entscheidenden Faktor hin: die beteiligten Menschen. »Die hohe Kompetenz, das Fachwissen und Engagement der Voith-Mitarbeiter und Heckert-Spezialisten haben unsere Vorstellung von einer automatisierten Komplettbearbeitung auf einer Maschine in zwei Spannlagen wahr werden lassen.« Ross verschweigt nicht, dass der Weg dahin auch steinige Passagen hatte. Die installierten Heckert T45 waren die ersten Serienmodelle einer neu entwickelten Maschine, die bis dahin noch nie einem derartigen Dauerbetrieb standhalten musste. So kam es anfangs zu frühzeitigem Verschleiss der Drehdurchführung, welcher jedoch nach einer konzeptionellen Anpassung der Konstruktion zu aller Zufriedenheit eingedämmt wurde. Auch beim Zahnriemenmagazin besserte Starrag erfolgreich nach: Der eingesetzte Riemenwerkstoff erwies sich gegenüber dem von Voith verwendeten Kühlschmierstoff als anfällig und wurde nach entsprechenden Tests durch einen neuen Werkstoff ersetzt. 

Friedrich Oberländer erwähnt weiterhin, dass es in Spannlage OP 20 Schwierigkeiten mit der Haltekraft gab, die dann durch eine Spezialbeschichtung der Spannzangen beseitigt wurden. »Gemeinsam haben wir für alle Probleme Lösungen gesucht, gefunden und vor allem sorgfältig umgesetzt«, bekräftigt er. »Das zeichnet Partner wie Starrag aus.«

Flächenproduktivität um ein Vielfaches gesteigert

Vincent Ross stimmt dem zu und freut sich über die mittlerweile erreichte Verfügbarkeit: »Seit gut 24 Monaten können wir einen OEE von über 90 % nachweisen.« Sein Team fertigt mit der neuen Anlage jedes Jahr Planetenradträger im mittleren fünfstelligen Bereich, was in etwa den früheren Mengen entspricht. Allerdings ist der Platzbedarf um circa 75 % geringer und die Durchlaufzeit ging um rund 80 % zurück. Dafür sind vor allem die deutlich reduzierten Rüst- und Liegezeiten verantwortlich. Darüber hinaus hat die reine Bearbeitungszeit eine Reduzierung um etwa 30 % erfahren. »Was hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit am meisten zu Buche schlägt, ist der Mitarbeitereinsatz«, ergänzt Friedrich Oberländer. »Durch die Automatisierung der Fertigungsanlage können wir Ressourcen zukünftig noch besser steuern und unsere qualifizierten Arbeitskräfte wirkungsvoll einsetzen.«


Neue Perspektiven

on grosser Bedeutung sind die Effekte für den Kunden. »Durch den minimalen Umrüstaufwand zwischen den Varianten sind wir deutlich flexibler geworden. Wir können so viel schneller auf Kundenwünsche reagieren«, sagt Friedrich Oberländer. »Ausserdem eröffnet uns die Anlage neue Perspektiven«, ist sich Vincent Ross sicher, denn »in unserer neuen Zelle lassen sich sowohl die Planetenradträger für das DIWA 6 als auch für das Nachfolgeprodukt, das 7-Gang-Mildhybridgetriebe DIWA NXT, prozesssicher und kostenoptimal fertigen. Selbst die Umstellung auf zukünftige Getriebeversionen oder vergleichbare Bauteile wird kein Problem sein.«  

Friedrich Oberländer, Leiter Produktionstechnologie bei Voith Turbo

»Gemeinsam haben wir für alle Probleme Lösungen gesucht, gefunden und vor allem sorgfältig umgesetzt.«