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Prozesse zum Abheben

Die Luftfahrtindustrie pusht ihre Produktivität

Die Stimmung im Flugzeugbau ist prächtig. Volle Auftragsbücher warten darauf, abgearbeitet zu werden. Von den Aerospace & Turbine Technology Days am Starrag-Stammsitz Rorschacherberg erwarten sich daher die Produktionsverantwortlichen praktische Anstösse, um ihre Fertigungsprozesse noch effizienter gestalten zu können. Am 18. und 19. Juni haben sie diese in grosser Zahl und Vielfalt bekommen.


Die Aerospace & Turbine Technology Days sind keine »normale« Hausausstellung. »Hier stehen nicht unsere Starrag-Maschinen im Mittelpunkt, sondern technische Lösungen für Problemstellungen, mit denen sich Produktionsverantwortliche im Flugzeug- und Turbinenbau intensiv beschäftigen«, betont Martin Buyle, CEO der Starrag Tornos Group. Gemeinsam mit hochqualifizierten Partnerunternehmen aus der Automatisierung, Digitalisierung, Messtechnik, Werkzeugvoreinstellung etc. zeigt Starrag live, wie sich verschiedene Prozesse verbessern lassen. Die Ergebnisse begeistern nicht nur die Besucherinnen und Besucher, sondern auch Martin Buyle: »Ich bin immer wieder fasziniert, wie es selbst bei einem breiten Werkstückspektrum gelingt, durch eine intelligente Kombination aus Maschine, Werkzeug und Software die Produktivität zum Teil um zwei- bis dreistellige Prozentzahlen zu steigern.«

Das prozessorientierte Veranstaltungskonzept kommt bei den Gästen seit vielen Jahren hervorragend an. So durfte Martin Buyle im Juni 2024 über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüssen: »Egal ob Flugzeugbau, OEMs, First-Tier-Zulieferung oder Herstellung von Kraftwerksturbinen – sie alle sind hier vertreten. Sie kommen aus der ganzen Welt, aus Amerika, Europa und Asien, aus insgesamt 18 Ländern.« Sein Konzernleitungskollege Alexander Attenberger, zuständig für den Starrag-Vertrieb, bestätigt:
»Für die Aerospace-Branche sind unsere Technology Days, die wir übrigens zum 25. Mal ausgerichtet haben, eines der wichtigsten Foren geworden. Denn hier können sich die Produktionsfachleute über neueste Entwicklungen informieren und Erfahrungen untereinander austauschen. « Dies ist aktuell besonders interessant. Die Luftfahrtbranche ist im Umbruch; Energieeffizienz, Leichtbau und CO2-Fussabdruck gewinnen an Bedeutung und völlig neue Antriebskonzepte werden rege diskutiert.

Processes to take off

Bei »Blade in one go« wird eine Turbinenschaufel von der Stange vollautomatisiert gefertigt.

Worauf es wirklich ankommt

»Die Stückkosten und die Bearbeitungszeit verringern – das sind die generellen Faktoren, um in der Flugzeugindustrie erfolgreich zu sein«, sagt Alexander Attenberger. »Aber das ist nicht genug. Die Vorgaben lauten, schon bei der Bauteilherstellung vermehrt Energie und CO2 einzusparen. Im Endeffekt muss das Flugzeug leichter werden, um den Verbrauch zu senken. Deshalb erobert zum Beispiel Titan immer mehr Einsatzfelder. Die Zerspanung des Leichtbauwerkstoffs erfordert besondere Herangehensweisen, für die wir hier unter anderem Hilfestellungen geben.«

100.000 Tonnen Titan verarbeitet die Luftfahrtindustrie derzeit jährlich, berichtete Sebastian Recke, Senior Key Account Manager der 2015 gegründeten Gefertec GmbH, in seinem Keynote-Vortrag. Sein Unternehmen bietet mit der 3DMP®-Technologie eine Möglichkeit, mit Metall-3DDruck im Wire-Arc-Additive-Manufacturing (WAAM)-Verfahren Bauteile, wie etwa Turbinenschaufeln, aus Titan und anderen anspruchsvollen metallischen Werkstoffen herzustellen. »Damit können wir beim Erzeugen von Turbinenschaufeln fast 90 % Material einsparen«, hebt Sebastian Recke hervor. »Titan ist teuer und die Herstellung mit erheblichem CO2-Ausstoss verbunden. Insofern kann unser Verfahren zu bedeutenden Einsparungen beitragen.«

Wie das konkret aussehen kann, war an einer der Stationen zu erleben, die Starrag in seinem Aerospace & Turbine Competence Center aufgebaut hatte: Dort druckte eine Gefertec-Anlage Turbinenschaufeln auf einen scheibenförmigen Träger und produzierte so einen Titanblisk. Da das Bauteil zwingend eine hochgenaue Nachbearbeitung erfordert, wird es vom Starrag- Tochterunternehmen TTL digitalisiert. Der in England ansässige Spezialist für CAD/ CAM- und CNC-Bearbeitung erzeugt mit diesen Daten ein NC-Programm, das dann auf einem Starrag-Bearbeitungszentrum NB 151 abgearbeitet wird. »Eine stimmige Prozesskette, die Zeit und Kosten spart«, meint Sebastian Recke.

Neue Wege gehen

Digitalisierung und Automatisierung zogen sich wie ein roter Faden durch die 13 Stationen, die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in kleinen Gruppen besucht wurden. An jeder einzelnen ging es um Prozesse, die eine Produktivitätssteigerung versprechen. Live-Vorführungen, Präsentationen mit konkreten Zahlen und anschliessende Diskussionen schufen eine Atmosphäre, die von Aufbruchstimmung geprägt war. »Wir wollen gemeinsam neue Wege gehen und die Aerospace- Industrie voranbringen«, fasst CSO Attenberger zusammen.

Alexander Attenberger, CSO

» Wir wollen gemeinsam neue Wege gehen und die Aerospace- Industrie voranbringen.«

Ein Wegweiser, wo es hingehen soll, war die Station »Blade in one go«. Dort wurde eine Turbinenschaufel von der Stange vollautomatisiert gefertigt. Das Rohteilhandling, das Zerspanen und Umspannen, auch das Ablegen des Fertigteils in eine Kassette geschieht, ohne dass eine Fachkraft händisch eingreifen muss. Im Zentrum der Fertigungsanlage steht das Starrag-5-Achs- Schaufelbearbeitungszentrum LX 021. Zur hohen Prozesssicherheit trägt Partner Blum Novotest mit seinen technologisch führenden Messkomponenten bei. Gleich nebenan stand ein weiteres Highlight der Technology Days 2024 – ein automatisiertes Schaufel-BAZ vom Typ LX 051, in das ein Fanuc-Cobot samt Teilespeicher integriert wurde, ohne dass sich der Footprint der Maschine vergrösserte. »Die Anlage kann in bedienerarmen Nacht- und Wochenendschichten betrieben werden. Zudem hat sich die Flächenproduktivität deutlich gesteigert«, erklärt Alexander Attenberger.

80 bis 90 % aller in der zivilen Luftfahrt eingesetzten Landebeine werden auf Starrag-Maschinen bearbeitet.

Er weist auf eine weitere Station hin, an der eine Weltpremiere vorgestellt wurde: die Vertikaldrehmaschine Berthiez VT 16. Ihr Grundaufbau wurde völlig neu gestaltet. Dabei ersetzten die Entwickler den bei bisherigen Maschinen verwendeten Getriebemotor durch einen schnelldrehenden Direktantrieb. Ausserdem sorgt das hydrostatische Maschinenkonzept für höchste Steifigkeit und Effizienz. Ein neuer Ansatz bei der Kühlmittelhochdruckversorgung prädestiniert die VT 16 für die Bearbeitung von Flugzeugtriebwerkskomponenten wie zum Beispiel Casings.

Die Neuentwicklung kann auch einen insgesamt geringeren CO2-Fussabdruck vorweisen. Was eine hydrostatische Lagerung leisten kann, durften die Teilnehmer ebenso bei der Starrag STC 1250 HD erleben. Durch maximale Dämpfung und Steifigkeit erreicht das für die Schwerzerspanung von Titan, Inconel und anderen hochfesten Legierungen ausgelegte Bearbeitungszentrum eine Abtragsrate in völlig neuer Dimension. Für eine sicher kollisionsfreie Bearbeitung sorgt dabei die bei den Technology Days erstmals präsentierte Siemens-Software Smart Machining. Hinter diesem Begriff verbirgt sich ein Assistenzsystem in der Maschine, das auf Basis von 3D-Modellen mögliche Kollisionen mit 800 ms Vorlauf erkennt und die Maschine gegebenenfalls anhält. Auch die weiteren Stationen trafen ins Schwarze. »Es hat sich gelohnt, die weite Reise nach Rorschacherberg zu den Aerospace & Turbine Technology Days anzutreten «, war von vielen Besuchern zu hören. »Jetzt sind wir wieder up to date, was effiziente Fertigungsprozesse anbelangt.«

Starrag Technology Days 2023, in search of increased productivity