Neue Massstäbe für die Bearbeitung von Flugzeugbauteilen
Mehr als ein halbes Jahrhundert nach Gene Pitneys Welthit »24 hours from Tulsa« ist der US-Bundesstaat Oklahoma erneut in aller Munde – dank Orizon Aerostructures. Orizon Aerostructures ist ein Fertigungs- und Technologieunternehmen mit beachtlicher Präsenz im Mittleren Westen: An sechs Standorten fertigen 763 engagierte Mitarbeiter Bauteile und komplexe Baugruppen für die Luft- und Raumfahrt. Es sind vier Produktionsstätten zwischen Kansas / Missouri und Oklahoma ansässig. Auf einer Gesamtfläche von mehr als 72.000 Quadratmetern produziert Orizon mit insgesamt 100 CNC-Maschinen, davon 50 mit mindestens fünf Achsen.
Doch es ist die neuste Fabrik des Unternehmens in der Kleinstadt Grove, rund 90 Autominuten von Tulsa entfernt, wo derzeit ein neues Kapitel in Sachen Fertigungsexzellenz aufgeschlagen wird.
An dem eigens für diesen Zweck errichteten Standort, in den insgesamt mehr als 50 Millionen USD investiert wurden hat Orizon ein flexibles Fertigungssystem (FFS) installiert, das auf neun 5-achsigen ECOSPEED-Bearbeitungszentren von Starrag basiert. Derzeit setzt das System neue Massstäbe für die Bearbeitung von Flugzeugbauteilen. Mit dem FFS, das das umfangreichste System seiner Art in der westlichen Hemisphäre ist, realisiert das Unternehmen folgende Ziele:
- Bauteilübergreifende Verkürzung der Bearbeitungszeiten um mindestens 30 % im Vergleich zu früheren Methoden
- Erhebliche Verbesserung der Oberflächengüte; deutlich weniger Entgratungs- und Polierbedarf
- Ein aussergewöhnliches Verhältnis von Umsatz zu Investitionen, sowie zwei- bis dreimal höherer Pro-Kopf-Ertrag im Vergleich zu herkömmlichen Bearbeitungsmethoden
»Das ist keine Überraschung«, so Geschäftsführer Udo Herbes, der für das Nordamerikageschäft von Starrag zuständig ist, »wenn man bedenkt, dass die Ecospeed in der Lage ist, einen 550-Kilogramm-Aluminiumrohling in weniger als vier Stunden in ein kompliziertes und nur 24 Kilo schweres Strukturteil zu verwandeln, wobei die Maschine mit einer maximalen Zerspanleistung von bis zu 10.000 Kubikzentimetern pro Minute läuft.«
Bedient wird das FFS mit den neun superschnellen Ecospeed-Maschinen (Verfahrgeschwindigkeit: 50 m/min), die über ein automatisiertes, schienengeführtes Palettierungssystem mit 18 Stationen beschickt werden und über eine eigene Wasch-/Trockenzelle verfügen, von jeweils nur fünf Personen im Zweischichtbetrieb. Die Maschinen laufen rund um die Uhr und an sieben Tagen in der Woche, damit Orizon die aussergewöhnlichen Vorteile bei der Bearbeitung unterschiedlicher Flugzeugteile (vor allem Tragflächenholme, Aussenverkleidungen und Rumpfspanten) für führende Erstausrüster der Luftfahrt- und Verteidigungsindustrie maximal ausschöpfen kann.
Bereits jetzt steht fest, dass die zukunftsweisende Bearbeitungsphilosophie von Orizon Früchte trägt. Klar ist auch, wie das Unternehmen seine Investition bewertet, wie CEO Charlie Newell betont: »Im Oktober 2016 nahmen wir uns vor, in nur zwölf Monaten etwas ganz Besonderes auf die Beine zu stellen: eine neue Fabrik für ein neues FFS, mit dem sich eineBearbeitungseffizienz verwirklichen lassen sollte, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen würde.«
»Wir haben von Anfang an mit Starrag zusammengearbeitet. Diese Partnerschaft hat sich als äusserst fruchtbar erwiesen, denn bei der Bearbeitung von Flugzeugteilen haben wir neue Massstäbe gesetzt. Schon bevor die erste Maschine verkauft wurde, war klar, dass Starrag bereit war, sich unsere Vorstellungen anzuhören und unsere Ziele zu unterstützen. Unter anderem hat Starrag einen ausgezeichneten Wissenstransfer ermöglicht und uns bei der Entwicklung geeigneter Prozesse rund um unsere Business-Systeme geholfen.«
Newell weiter: »Dazu gehören vereinheitlichte Bearbeitungsvorgänge unter Verwendung von Standardwerkzeugen für das gesamte Teilespektrum sowie beispielsweise der Einsatz von Online-
Diagnosetools, mit denen Orizon und Starrag Technology in Mönchengladbach das System oder einzelne Maschinen zu jeder Tages- und Nachtzeit per Smartphone, iPad oder Desktoprechner ›befragen‹ können.«
Die Online-Diagnose ist nur ein Aspekt – und Vorteil – des IPS (Integrated Production System) von Starrag, es ist eine modulare digitale Plattform, die dem Starrag-Leitsatz »Engineering precisely what you value« bestens entspricht, da sie Anwendern eine Reihe von Funktionen für individuelle Aufgaben an die Hand gibt. Hier einige Beispiele:
- Cloudbasierte Lösungen helfen Anwendern bei der genaueren Analyse und Optimierung von Prozessen für noch mehr Produktivität.
- Ein MPS (Machine Production System) überwacht die Produktion in Echtzeit und schützt Maschinen vor Bedienfehlern und Kollisionen.
- Eine Ratterüberwachung sorgt für Prozessqualitätskontrolle und warnt vor gefährlichen Schwingungen bei der Bearbeitung.
- Ein integriertes MQS (Machine Qualification System) gibt Aufschluss über den Maschinenzustand und zeigt bei Bedarf diesbezügliche Wartungsanweisungen an.
»Dass sich Orizon für Starrag-Maschinen des Typs Ecospeed F2060 entschieden hat, die jeweils mit dem parallelkinematischen Bearbeitungskopf Sprint Z3 und einem Winkelfräskopf ausgestattet sind, liegt daran, dass die Maschinen alles leisten, was uns von Starrag zugesagt wurde: ein Materialabtrag von bis zu 10 Kubikmetern Spänen pro Stunde und Maschine, verlässliche Laufzeiten (97 % Maschinenverfügbarkeit) sowie ausgezeichnete Oberflächengüte dank hervorragender Ruckwerte”, so Orizon-Chef Henry Newell. »Ausserdem war von Anfang an klar, dass Starrag ein Unternehmen ist, auf das wir uns verlassen können und das genau wie wir grössten Wert auf die Verwirklichung erstklassiger Bearbeitungsergebnisse legt«, fügt er hinzu. »Schon ein einziger Span, der nicht rechtzeitig aus einer Tasche entfernt wird, kann dazu führen, dass ein Teil im Wert von 20.000 USD auf dem Schrott landet – und das kann sich keiner leisten!«
Allerdings war es keineswegs so, dass Orizon die ersten sechs Maschinen, denen zunächst drei weitere und später vielleicht noch mehr folgen sollen, für das FFS ein-
fach in Auftrag gegeben hat. Vielmehr installierte Orizon zunächst eine einzelne Ecospeed mit Sprint-Z3-Kopf, um die Effektivität und Effizienz der Maschine ausgiebig an Teilen aus der laufenden Produktion zu erproben und das zu erreichen, was Josh Fink, Vice-President der Bearbeitungssparte, eine »schnellere, bessere und erschwinglichere Produktion für den Kunden« nennt.
Die ursprüngliche Ecospeed F2060 von Orizon steht in einem separaten Bereich und ermöglicht das Hosting des für sechs Maschinen vorgesehenen FFS in der 8.000 Quadratmeter grossen Werkshalle. Aufgebaut wurde die erste F2060 für das FFS im Januar 2017. Zwei Monate danach folgte das Palettierungssystem. Im Okto-
ber 2017 ging die Anlage in Betrieb. Ein Jahr später kamen drei weitere Ecospeed-Maschinen hinzu. »Das Bemerkenswerte daran war, dass die drei zusätzlichen Maschinen keinen betrieblichen Mehraufwand, sondern nur mehr Ertrag mit sich brachten«, so Josh Fink.
Die Verfahrwege der Starrag Ecospeed F2060 betragen 6.300, 2.500 und 670 mm in X-, Y- bzw. Z-Richtung (Spindel in Horizontalposition) bei einer Verfahrgeschwindigkeit von 50 m/min auf jeder Achse. Für die A- / B-Achse mit +/- 45 Grad gibt es zudem eine 120-kW-Spindel mit 30.000 U/min, die ein Drehmoment von 83 Nm bietet und im S1-Modus ununterbrochen mit 30.000 U / min laufen kann. Hinzu kommt die hohe Dynamik der Maschine mit einer Beschleunigung von 1 G auf allen fünf Achsen und mit Ruckwerten von bis zu 200 m / s³.
An der Lade-/Entladestation werden die Teile (bis zu zwölf Teile je Palette) von Hand geladen und mit einer Mischung aus Saugnäpfen und mechanischen Klemmen festgespannt, wobei sich die Palette in der Horizontalen befindet. Die Werkstückgrösse auf den 2 × 6 Meter grossen Paletten mit einer Tragfähigkeit von 5.000 kg wird im Idealfall vereinheitlicht. Nach dem Beladen wird die Palette um 90 Grad geneigt und dann dem 80 Meter langen FFS zugeführt, woraufhin der ausgeklügelte Cell-Controller »entscheidet«, welche Maschine welche Palette bearbeitet.
Das FFS – das grösste integrierte System seiner Art in der westlichen Hemisphäre – ermöglicht dem Unternehmen mindestens 30 % kürzere Bearbeitungszeiten für alle Teile im Vergleich zu früheren Verfahren.
Da jedes der mit 129 Plätzen ausgestatteten Werkzeugmagazine die üblichen Werkzeuge für die Ecospeed F2060 bereithält, damit jede Maschine jedes beliebige Teil in jeder beliebigen Reihenfolge bearbeiten kann, sorgt die Zellensteuerung für unübertroffene Fertigungsflexibilität. Zur Realisierung dieser hohen Flexibilität für die Produktion hat Starrag in enger Zusammenarbeit mit Orizon Umrüst-, Vorschub- und Bearbeitungsgeschwindigkeiten sowie Programmierroutinen vereinheitlicht.
Nach der Bearbeitung fährt die Palette zur Wasch-/Trockenstation. Dort richten Hochdruckreinigungsdüsen ihren Strahl in jeden Winkel, bevor das Teil mit Druckluft getrocknet wird. Übrigens sorgt der Einsatz von Minimalmengenschmierung (MMS) dafür, dass vergleichsweise wenig Abrieb bzw. Kühlschmiermittel an den Werkstücken anhaftet, wenn sie die Waschstation erreichen. Nach dem Entladen kehrt die Palette in die Horizontale zurück. Alle Teile werden aus dem System entnommen, entgratet und dann vollumfänglich auf einem Koordinatenmessgerät vermessen.
Jede Ecospeed von Orizon ist mit dem parallelkinematischen Bearbeitungskopf Sprint Z3 bestückt, was der Maschine hochdynamische und simultane Fräs- und Bohrvorgänge mit fünf Achsen / Seiten ermöglicht. Der Kopf nutzt drei parallele Linearachsenantriebe, die in gleichmässigen Abständen radial im Spindelstock angeordnet sind. Die Spindelplattform ist über starre Hebel mit Drehzapfen und Kugelgelenken mit den einzelnen Antrieben verbunden.
Wenn sich alle drei Achsen simultan bewegen, fährt die Spindel in einer geraden Linie auf der Z-Achse. Durch synchronisierte Bewegungen der drei Z-Achsen folgt die Spindel jedem beliebigen Pfad innerhalb eines Rundkegels von +/- 45 Grad bei maximal 80 Grad/Sekunde. Wenn sich die drei Achsen differenziell bewegen, wird die Spindelplattform in der A/B-Kinematik geneigt.
ede Maschine besitzt eine fest eingebaute C-Achse für die Verwendung automatisch austauschbarer Winkelfräsköpfe, die in jedem Raumwinkel von -135 bis +135 Grad arbeiten. Diese Köpfe machen jede Maschine zu einer 6-Achsen-Maschine für die Bearbeitung von Stellen, die andernfalls nur schwer zugänglich wären.
Zum Einsatz kommen die Werkzeugaufnahmen HSK A63/80 sowie »Mono-Werkzeuge« mit bis zu 50 mm Durchmesser. Alle Werkzeuge sind mit RFID-Chips für ein wirkungsvolles Werkzeugmanagement ausgestattet.
Ein Ergebnis der Zusammenarbeit von Orizon und Starrag ist, dass die drei jüngsten Ecospeed-Maschinen Konstruktionsoptimierungen aufweisen, die exakt zum Anforderungsprofil von Orizon passen. Beispiele dafür sind diverse Änderungen an der Zugangstür, die verbesserte Beleuchtung für Kameras in der Maschine sowie die optimierte Wartungsklappe.
Was die Wartung betrifft, führt das Personal von Orizon einfache Routinearbeiten aus. Darüber hinaus schützt der von Starrag angebotene Wartungsplan ServicePlus, für den eine Jahresgebühr erhoben wird, zuverlässig vor allen Eventualitäten und garantiert kurze Reaktionszeiten sowie zeitnahe Prüfungen und Reparaturen.
Josh Fink betont, dass man bei Orizon keineswegs vorhabe, sich auf den Lorbeeren in Sachen Bearbeitungseffizienz auszuruhen: »Wir feilen ständig an der Systemperformance, und es vergeht keine Woche ohne Telefonkonferenzen, bei denen wir mit Starrag über die Maschinenverfügbarkeit (derzeit 97 %) und Spindelauslastung (Ziel: 87 %) sprechen. Solche Ziele zu haben, ist natürlich schön und gut, aber man muss sie auch verwirklichen können. Letztlich ist es eine Frage der kontinuierlichen Verbesserung.«
Service steht für Starrag North America stets an erster Stelle
In den Vereinigten Staaten sind mehr als 700 Maschinen von Starrag in Betrieb. Die aktuellen und zukünftigen Ambitionen seines Unternehmens bringt Udo Herbes wie folgt auf den Punkt. »Vor allem die Luftfahrtbranche und der Nutzfahrzeugsektor sind Wachstumsmotoren für das US-Geschäft von Starrag. Deshalb liegt es auf der Hand, dass wir unser Team vergrössern und insbesondere mehr Servicetechniker einstellen müssen, damit sich die von den Kunden geforderten überaus hohen Maschinenlaufzeiten realisieren lassen. Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass jeder Kunde stets zufrieden ist.«
Abschliessend sagt er: »Das Ersatzteilzentrum in Kentucky, die Lieferung benötigter Teile per Expressversand sowie über das ganze Land verteilte Servicetechniker sind unsere Garanten dafür, dass jede Maschinenstörung innerhalb von 48 Stunden behoben wird.«
Orizon Aerostructures
Flugzeughersteller und ihre Lieferkettenpartner stellen extrem hohe Anforderungen an qualitativ hochwertige und zuverlässige Produktionsprozesse. Ein Paradebeispiel ist Orizon Aerostructures, das sich mit Starrag zusammengetan hat, um etwas sehr Einzigartiges im amerikanischen Mittleren Westen zu bauen. Das ECOSPEED F 2060 FMS ist das größte vollautomatische System seiner Art auf der westlichen Hemisphäre und besteht aus insgesamt neun 5-Achsen-Hochgeschwindigkeitsbearbeitungszentren von Ecospeed.
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