micromechanics

Mikrometergenau mit Gefühl

160 Jahre SIP: Interview mit Adriano Della Vecchia und Stéphane Violante unter freundlicher Mitwirkung von Mark Huneycutt, Principle of Equipment Engineering bei Bell

Warum verzichtet ein Maschinenhersteller im Hightech-Zeitalter auf elektronische Kompensation und setzt auf mechanische Endbearbeitung? Wie kann er dennoch langfristig Ultrapräzision garantieren? Voller Leidenschaft antworten Adriano Della Vecchia, Head of Product Range SIP, und Stéphane Violante, Marketing Projektmanager bei Starrag in Vuadens, und verhehlen nicht ihren Stolz auf ihre Produkte, die in vielen Hightech-Industrien weltweit immer noch der Benchmark-Standard für kompromisslose Langzeitpräzision sind.

SIP 7000

SIP 7000 Lehrenbohrwerk

» Unsere Maschinen sind für ihre gleichbleibende Dauerstabilität bekannt.«

Herr Della Vecchia, was ist so besonders an SIP?
Adriano Della Vecchia: Wir liefern hochpräzise Maschinen und das ist für uns nicht nur unser Job, sondern unsere Leidenschaft. Ja, wir sind stolz darauf. Das ist vielleicht nur ein Gefühl, aber es ist nun mal unsere Mentalität und unsere Motivation.

Zum einen sind da das Handschaben von Maschinenelementen und deren sehr präzise Fertigung, die eine jahrhundertealte Tradition fortführen. Gibt es andere Gründe?
Adriano Della Vecchia: Unsere Maschinen sind für ihre gleichbleibende Dauerstabilität bekannt. Ausserdem befassen wir uns unablässig mit der Verbesserung unserer Produktionslösung, indem wir versuchen, alle Komponenten und Einflüsse rund um die Maschine zu optimieren.

Herr Violante, im Vorgespräch haben Sie drei wichtige Elemente an der Maschine angesprochen.
Stéphane Violante: Im Laufe der Jahre haben wir einige weitere Verbesserungen und Vorteile eingeführt, um Produktionsprozess- und Automatisierungslösungen bereitzustellen. So konnten wir unsere Spitzenstellung als Innovationsführer verteidigen und dauerhaft der Benchmark bezüglich Ultrahochpräzision in der Welt der maschinellen Bearbeitung setzen. Bei SIP betrifft dies drei wichtige Elemente: den Werkzeugwechsler, den Palettenwechsler und die Mensch-Maschine- Schnittstelle. Alle sind nicht direkt mit der Maschine verbunden oder an ihr befestigt. Aber sie gehören zum Maschinenumfeld und arbeiten mit der Maschine zusammen.

Mark Huneycutt, Principle of Equipment Engineering, Bell

» Durch neuere Technologien, wie Werkzeugmessung und Messtechnik, konnte der Ausstoss erhöht werden.«

Bitte machen Sie einige Angaben zu den Werkstücken, die Sie auf Ihren vertikalen und horizontalen Bearbeitungszentren bearbeiten können.
Adriano Della Vecchia: Die Aufspannfläche beträgt bis zu 1.200 mm × 1.200 mm und es können Werkstücke von bis zu 4.000 kg aufgenommen werden. Wir wissen, dass es ziemlich lange dauert, ein solches Werkstück in der Maschine einzuspannen. Als Lösung für diesen Zeitverlust bieten wir ein komplettes System bestehend aus einer Rüststation, einer Lagerstation und einer Übergabestation an. Auf diese Weise kann der Kunde das Werkstück vorbereiten und hat Zeit, gegebenenfalls die Spannvorrichtung anzupassen, das Werkstück auszurichten und so weiter, um die unproduktiven Zeiten so weit wie möglich zu verkürzen. Denn manchmal braucht man 20 Minuten, manchmal mehr. Unser Ziel ist, den Palettenwechsel am Ende des Produktionsprozesses effizient und hochpräzise durchzuführen. Bei der Beschickung derselben Palette erreichen wir eine Wiederholgenauigkeit von maximal zwei Mikrometer Abweichung.

Was ist mit der Einhausung?
Adriano Della Vecchia: Es handelt sich um eine eigenständige Lösung. Sowohl die Einhausung als auch der Werkzeugwechsler und alle Peripheriegeräte Werkkommen nicht mit der Maschine in Berührung. Und sie haben keinen Einfluss auf die Maschine selbst. Vor der Maschine befindet sich das Palettiersystem. Das Werkstattteam kann daran arbeiten, während die Maschine bohrt oder fräst. Unter Beachtung der Sicherheitsvorschriften kann das Werkstück auf dem Rüstplatz sicher vorbereitet werden. Da es keinen Kontakt zwischen den einzelnen Komponenten gibt, wird die Präzision der Maschine davon nicht beeinflusst.

Die Flexibilität im Werk steht und fällt auch mit dem automatischen Werkzeugwechsel. Wie ist Ihr Werkzeugwechsler aufgebaut?
Adriano Della Vecchia: Je nachdem, was Sie produzieren müssen, sind 40 bis 120 Werkzeuge möglich. So können Sie im Fall eines Bruchs Zeit gewinnen, da Ersatz zur Verfügung steht.

» Wir reduzieren nicht die Bearbeitungszeit an sich, sondern erhöhen den Produktionsdurchsatz.«

Mark Huneycutt, Principle of Equipment Engineering, Bell

Mark Huneycutt, Principle of Equipment Engineering bei Bell in den USA, berichtet im Folgendem über die langjährige Zusammenarbeit mit SIP.
Mark Huneycutt: Bell ist ist ein namhafter Hersteller von Zivil- und Militärhubschraubern, die weltweit zum Einsatz kommen. Unsere Produktion von Präzisionsgetrieben ist womöglich die beste der Welt. Der Erfolg beruht unter anderem auch auf den Präzisionsanforderungen für die Getriebe mit ihrer hohen Leistung bei geringem Gewicht. Bell verfügt über zahlreiche Werkzeugmaschinen, darunter 31 SIP-Maschinen in allen Werken und Bell arbeitet seit Langem mit SIP, vor allem wegen der Präzision der Maschine. SIP hat die Produktionslösungen verbessert, die über viele Jahre hinweg Ultrapräzision und Wiederholgenauigkeit bieten. Durch neuere Technologien, wie Werkzeugmessung und Messtechnik, konnte der Ausstoss erhöht werden, aber die grundlegende Maschinenkonstruktion wurde nicht verändert, und das ist ein grosser Vorteil! Es ist jedoch schwierig, diese Art von Präzisionsbearbeitung in einem Produktionsprozess zu automatisieren, bei dem in der Regel hochqualifizierte menschliche Interaktionen am Werkstück erforderlich sind. Ein anspruchsvoller Schritt zu einem einfachen Automatisierungsansatz war die Installation von zwei Palettenwechslern, um die Werkstückwechselzeit zu verkürzen. Die grössten Vorteile ergeben sich aus der Verbesserung der betrieblichen Effizienz, wie beispielsweise der Reduzierung der Rüstkosten, der Werkstückwechselzeit und der Verringerung der Spindelstillstandszeiten. Wir reduzieren nicht die Bearbeitungszeit an sich, sondern erhöhen den Produktionsdurchsatz. Jetzt können wir mehr Teile in der gleichen Zeit produzieren, mit einer Palettenwechselzeit von ein bis zwei Minuten. Durch die Integration des Palettenwechslers in ein SIP-Ultrapräzisions-Bearbeitungszentrum entsteht eine hochproduktive Maschine, ohne Einbussen bei der μm-Präzision!

Das war ein sehr interessantes Beispiel. Was sind die besonderen Merkmale Ihrer Maschinen?
Adriano Della Vecchia: Die meisten unserer Kunden produzieren Komponenten mit einem extrem hohen Präzisionsgrad. Nur um eine Vorstellung zu vermitteln: Einige der Werkstücke können nach der Bearbeitung rund 50.000 USD kosten. Das bedeutet, dass Sie nicht das Risiko eingehen können, dass ein Werkstück zerstört werden könnte.

Spielt die Wiederholgenauigkeit auch bei Ersatzteilen eine Rolle?
Adriano Della Vecchia: Sicherlich! Einige Kunden aus der Flugzeugindustrie in den USA benötigen eine Teilereparatur: Sie müssen den gleichen Präzisionsgrad erreichen und zur Fertigung die gleiche Produktionskonfiguration einsetzen wie bei der ursprünglichen Teilefertigung. Und sie wissen, dass sie mit unserer Maschine genau die gleiche Position finden können, um das zu ersetzende Bauteil neu zu produzieren. Dies ist für die Kunden sehr wichtig. Auf diese Weise können sie sicher sein, dass das Ersatzteil genau dem Original entspricht.

Aber Qualität wird nicht nur maschinell erzeugt; sie ist menschengemacht. Was ist mit der Mensch-Maschine-Schnittstelle?Adriano Della Vecchia: Wir verwenden die Standardschnittstellen von Siemens und Fanuc. Für einige Unternehmen haben wir eine spezielle Schnittstelle. Wir schulen die Bediener im Umgang mit dem Steuerungssystem und geben Tipps für spezielle Anwendungen.

Was ist für die Nutzer Ihrer Maschinen sonst noch besonders wichtig?
Stéphane Violante: Maschinenzugänglichkeit, -sicherheit und -schutz. Diese Aspekte sollten immer gemeinsam betrachtet werden. Unsere Maschinen verfügen über sehr grosszügige Zugangstüren. Der Zugang ist möglich, wenn die Maschine nicht in Produktion ist. Sie können wirklich in der Maschine arbeiten, um eine Messfühler-Kalibrierung durchzuführen, jedes einzelne Maschinenelement visuell vor Produktionsbeginn zu überprüfen und die Positionierung der Werkzeuge zu kontrollieren. Dank des unabhängig arbeitenden Palettiersystems ist die Sicherheit der Bediener bei der Vorbereitung einer neuen Aufspannung für das nächste Produktionsteil gewährleistet.