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Aufbruchstimmung in der Fertigung

Die mechanische Fertigung in Chemnitz wird zurzeit auf den modernsten Stand der Technik gebracht. Zu den wichtigsten Neuinvestitionen gehört ein flexibles Fertigungssystem mit zwei Heckert-Bearbeitungszentren HEC 800 X5 MT, das vor Kurzem seinen Betrieb aufgenommen hat. Zweites herausragendes Element ist ein Droop+Rein-FOGS-HD-Grossbearbeitungszentrum, für das gerade ein riesiges Fundament erstellt wird. Der Hintergrund der Massnahme: eine vielversprechende Unternehmensstrategie.

Juni 2024 im Starrag-Werk Chemnitz, Halle 4: Hier konzentriert sich zukünftig die mechanische Fertigung für mittlere und Grossbauteile, die entscheidend zur Präzision und Langlebigkeit verschiedener Starrag-Bearbeitungszentren beitragen. Mit einem zweistelligen Millionen-Euro- Betrag wird sie derzeit auf höchstes technisches Niveau gehoben.

Automatisierung hält Einzug

Ein Teil der Investition floss bereits in das neue, über 30 Meter lange flexible Fertigungssystem (FMS), das die Chemnitzer Zerspanungsspezialisten kürzlich in Betrieb nahmen. Es enthält im Kern zwei HEC 800 X5 MT-Bearbeitungszentren, die über ein Fastems-Linearspeichersystem mit 64 Speicherplätzen verkettet sind. Die Erweiterung um ein drittes BAZ ist fest geplant.

Fertigungsleiter Benjamin Walter erklärt: »Wir nutzen das FMS für anspruchsvolle, hochpräzise Bauteile, weshalb wir hinsichtlich der Maschinen das Beste vom Besten gewählt haben. Die bei uns in Chemnitz produzierten fünfachsigen Allround- Bearbeitungszentren HEC 800 X5 MT sind mit Drehfunktion und einem grossen Portfolio an Funktionen maximal ausgestattet. Die Turmmagazine bieten jeweils 450 Werkzeugplätze, sodass die Maschinen im vollautomatisierten Betrieb vielfältige Zerspanungsaufgaben erledigen können, was wiederum eine grosse Varianz im Bauteilspektrum zulässt.«

Mit 800 × 1.000 mm Palettengrösse und einem Werkstückstörkreis von 1.200 mm Durchmesser haben Walter und sein Team die Maschinen für kleine bis mittelgrosse sogenannte Fokuswerkstücke ausgewählt. Das sind Bauteile, die höchste Anforderungen bezüglich Präzision und Langlebigkeit erheben, wie zum Beispiel Lagerböcke für Kugelgewindetriebe, Getriebegehäuse und Führungsteile für Hauptspindeln etc. Das Fastems-Linearspeichersystem lässt sich über zwei Rüstplätze mit bis zu 64 Maschinenpaletten hauptzeitparallel bestücken, was Nebenzeiten reduziert und einen langzeitautomatisierten Betrieb ermöglicht. Losgrössen sind zweitrangig. »Wir sind in der Lage, ein sehr grosses Portfolio aus unterschiedlichsten Teilen abzudecken. Selbst Prototypen sind kein Problem«, sagt Benjamin Walter. »Mit dem FMS können wir unseren Durchsatz deutlich steigern und die Wertschöpfung am Standort erhöhen.«

» Mit dem FMS können wir unseren Durchsatz deutlich steigern und die Wertschöpfung am Standort erhöhen.«

Benjamin Walter, Fertigungsleiter

Bearbeitung von Maschinenbetten im Mikrometerbereich

Gleich neben dem beeindruckenden Fastems-FMS finden – Stand Juni – Aushubarbeiten gewaltigen Ausmasses statt. Es läuft die Vorbereitung für ein Fundament, auf dem im Herbst ein neues Droop+Rein- FOGS-HD-Grossbearbeitungszentrum aufgebaut wird. 

Kai Fischer, Produktlinienverantwortlicher für Produktionssysteme, betreut das Umbauprojekt »Halle 4«. Er hat Zahlen parat, die das Ausmass der Vorbereitungen für die Grossmaschine deutlich machen: »Die Droop+Rein belegt eine Grundfläche von 22 × 14 Meter. Für das Fundament haben wir rund 420 m² Betonfussbodenfläche aufgebrochen und bis zu einer Tiefe von circa fünf Meter ausgehoben.« Darin werden in den nächsten Monaten 70 Tonnen Bewehrungsstahl und 700 m³ Beton als Tiefergründung verbaut. Um das eigentliche Maschinenfundament herum, das weitere 590 m³ Beton erfordert, werden zusätzlich etwa 830 m³ Frostschutzmaterial eingebracht und verdichtet.

Die Aussicht auf das kommende, am Starrag-Standort Bielefeld hergestellte Schwerzerspanungszentrum begeistert Fertigungsleiter Benjamin Walter: »Damit können wir sämtliche Maschinenbetten, Ständer und andere präzisionsbestimmende Grossteile bis auf wenige Mikrometer genau bearbeiten. Das ist gegenüber unserer bisherigen Lösung eine deutliche Verbesserung und macht uns zudem unabhängig von externen Lieferanten.«

Synergien nutzen, Wertschöpfung erhöhen

Die Modernisierung der mechanischen Fertigung in Chemnitz ist ein wichtiger Bestandteil der Zukunftsstrategie bei Starrag, die vor einem Jahr ihren Anfang nahm. Seitdem sind die Starrag-Standorte Chemnitz und Rorschacherberg unter dem Dach der Business Unit »High Performance Machining Systems (HPMS)« zusammengefasst. Ihr Leiter Christian Kurtenbach erklärt: »In der HPMS wollen wir die Synergien im Maschinenbau erschliessen, die die beiden renommierten Standorte mit dem Know-how ihrer Fachkräfte offerieren. Denn die Kombination von ›Made in Germany‹, das unter anderem für Qualität und Zuverlässigkeit steht, mit der sprichwörtlichen ›Schweizer Präzision‹ bietet ein enormes Potenzial.« Er weist darauf hin, dass der Vertrieb und die Kompetenz für »Aerospace and Energy« in Rorschacherberg sowie für »Transportation and Industry« dem jeweiligen Standort zugeordnet bleiben. »Das branchenbezogene technologische Wissen ist dort zu Hause und daran wollen wir nichts verändern «, betont Christian Kurtenbach. »Uns geht es vielmehr um die Herstellung der Heckert-, Starrag- und Ecospeed- Maschinen, die wir neu ordnen.«

Als wichtige Basis erwähnt Kurtenbach eine neue Organisationsstruktur mit übergreifenden Zuständigkeiten und eine gemeinsame Datenbasis: »Wir führen ein MDE/BDE-System ein, das alle in Chemnitz und Rorschacherberg vorhandenen auftragsbezogenen Arbeitsplätze in Konstruktion, Technologie, Fertigung, Montage oder Projektmanagement einschliesst. Dieses wird durch ein Feinplanungssystem ergänzt. Ausserdem gibt es ein gemeinsames Werkzeugdatenmanagementsystem, das den Datenaustausch zwischen beiden Fertigungsstandorten erleichtert.«

» Wir nutzen das FMS für anspruchsvolle, hochpräzise Bauteile, weshalb wir hinsichtlich der Maschinen das Beste vom Besten gewählt haben.«

Benjamin Walter, Fertigungsleiter

Grosse und mittlere Kompetenzteile werden in Chemnitz bearbeitet

Zur Neuordnung gehört, dass in Chemnitz zukünftig alle Grundeinheiten bearbeitet werden – also Maschinenbetten und -ständer, daneben weitere Teile, die ebenfalls für Genauigkeit, Langlebigkeit, Verfügbarkeit der Werkzeugmaschine verantwortlich sind. Von der Schweiz werden somit einige Grossbauteile in den Verantwortungsbereich der Chemnitzer Fertigungsspezialisten verlagert. Diese wiederum geben die Herstellung von Komponenten wie Rundschwenktischen, Spindeln etc. nach Rorschacherberg ab.

»Damit dies erfolgreich gelingt, sorgen wir dafür, dass sowohl Chemnitz als auch Rorschacherberg für ihre jeweiligen Fertigungsaufgaben maximal qualifiziert sind«, verspricht HPMS-Leiter Kurtenbach und ergänzt: »Wichtig ist uns dabei, dass jeder Standort seine Identität behält und dass wir nicht in die Unternehmenskultur eingreifen. Vielmehr sollen die Kompetenzen durch ein massgeschneidertes Aufgabenspektrum bestmöglich zur Geltung kommen und eine gleichmässigere Auslastung der Werke erreicht werden.« Ein positiver Nebeneffekt: Wenn beide Standorte gemeinsam an der Wertschöpfung jedes Produktes beteiligt sind, werden sie unabhängiger von Konjunkturschwankungen in einzelnen Branchen.

» Unser Ziel ist es, in den nächsten zwei Jahren unseren Output in Chemnitz um insgesamt 40 % zu steigern.«

Benjamin Walter, Fertigungsleiter

Starrag-Maschinen fertigen Starrag-Maschinen

Zurück in Halle 4, in der abgesehen von den temporären Aushubarbeiten jede Menge Späne produziert werden. Dafür sind neben dem neuen Fastems-FMS weitere Starrag-Maschinen im Einsatz, darunter die Grossmaschinen Heckert HEC 1800, 1250 und 1600 sowie ein Lehrenbohrwerk SIP 5000. »Wenn das Modernisierungsprojekt abgeschlossen ist, haben wir hier eine Vorzeigefertigung für mittlere und grosse Präzisionsteile«, freut sich Fertigungsleiter Benjamin Walter. »Wir werden dann in der Lage sein, ein ausgewähltes Bauteilspektrum auch für alle anderen Starrag-Standorte herzustellen. Unser Ziel ist es jedenfalls, in den nächsten zwei Jahren unseren Output in Chemnitz um insgesamt 40 % zu steigern.«

LiveHeck 2023