news

Präzision bei 300 km/h – von Mensch und Maschine

Für einen Premiumanspruch muss alles passen.

Motorräder mit 1.000 Kubikzentimetern und etwas über 200 PS auf rund 160 Kilogramm am Limit zu bewegen – da braucht es Präzision. Sowohl vom Fahrer als auch bei den Mechanikern, die diese Raketen vorbereiten. Starrag-Athlet Toni Finsterbusch fährt ein solches Superbike BMW M 1000 RR in der Internationalen Deutschen Motorradmeisterschaft (IDM). Und die Konkurrenz ist hart: 29 Piloten mit teilweise Weltmeisterschaftserfahrung.

Vertrauen ist alles!

Most in der Tschechischen Republik. Es ist die dritte Saisonstation der IDM, erstes Rennen der Superbike- Klasse. Toni Finsterbusch mischt vorn mit, will gewinnen oder wenigstens auf das Podest. Dritte Runde, vorletzte Kurve. Kein Bremsdruck. Finsterbusch muss nachziehen. Ein Vorderradflattern hat zuvor die Bremskolben in den Sattel gedrückt, und als Toni zum ersten Mal den Hebel zieht, passiert nichts. Der Krostitzer meistert die Situation bei 260 km/h, knallt durchs Kiesbett, hält die BMW M 1000 RR aufrecht und geht wieder ins Rennen.

Technik

Vorbereitet werden Finsterbuschs Einsatzgeräte im sächsischen Pirna. Dort sitzt sein GERT56-Team sowie Tuner und Cheftechniker Ronny Schlieder von RS Speedbikes. Dessen Drang war es seit eh und je, Motorräder technisch an ihre Grenzen zu bringen und innerhalb der bestehenden Reglements auszureizen. Und dabei geht es nicht nur um Leistung vom Motor. Auch – und gerade – beim Fahrwerk und den Bremsen muss alles sitzen. »Wenn du mit 240 in Schleiz die Seng runterfährst, dann brauchst du Vertrauen«, weiss Finsterbusch. »Vertrauen in alles: deine Mechaniker, dass alle Schrauben fest sind, dass die Bremsen funktionieren, dass das Fahrwerk passt, dass die Reifen dir genau das Feedback vom Asphalt geben, das du brauchst.« Wenn das alles nicht zusammenspielt, kommen keine Rundenzeiten. Oder es tut schnell auch mal weh.

Wir beginnen mit einem Rolling-Chassis und bauen dann unser Motorrad komplett neu auf.

»Leider hatte ich in meiner Karriere schon einige schwere Verletzungen«, erzählt Finsterbusch. Doch immer wieder kämpfte er sich zurück – und nicht irgendwohin, sondern an die Spitze der jeweiligen Klassen. Woher nimmt er den Antrieb dazu? »Ein Faktor ist, dass bei den meisten Verletzungen nicht mal ich am Sturz schuld war und du damit ganz anders umgehen kannst, als wenn du weisst: Jetzt habe ich Mist gebaut.« Doch davon abgesehen ist es auch seine Natur. Finsterbusch ist neben seiner Passion als Motorradrennfahrer Jungunternehmer, leitet das familieneigene Unternehmen Pumpentechnik Finsterbusch GmbH mit insgesamt acht Fachkräften. Dort muss der Racer schnelle Entscheidungen treffen – wie auf der Rennstrecke – und es geht um Präzision – wie beim Rennmotorrad.

Die 1.000 ccm starken Rennmaschinen von BMW sind zwar für den Strassenverkehr zugelassen, aber für die Rennstrecke gebaut. »Mit der BMW hast du meiner Meinung nach die beste Basis, um Rennen zu fahren«, sagt Cheftechniker Schlieder. Und dennoch gibt es einige Teile, die rausfliegen – oder gar nicht erst mitgeliefert werden. »Wir beginnen mit einem Rolling-Chassis und bauen dann unser Motorrad komplett neu auf«, erklärt er. Rolling-Chassis bedeutet: Rahmen, Motor, Räder. Alles andere hat mit der Serie nicht mehr viel zu tun, auch wenn das äussere Erscheinungsbild wie bei der Verkleidung erhalten bleiben muss.

Oschersleben/Sachsenring

Wenn alles passt, bist du vorn dabei. Wenn nicht, geht es ganz schnell weit zurück. Das musste Finsterbusch vor allem bei der zweiten Saisonstation in Oschersleben nahe Magdeburg erleben. »Am Sachsenring beim Auftakt war ich ja noch Zweiter und Fünfter geworden«, blickt der Krostitzer zurück. Und auch in Oschersleben lief es erst mal gut. »Ich konnte das Feld einige Runden lang anführen «, schaut er auf das Positive. »Doch dann bekam ich arge Probleme mit den Reifen und konnte die Pace der anderen nicht mitgehen.« Wie gnadenlos dieser Sport ist, zeigte sich im ersten Lauf beim Blick aufs Ergebnis: Von den vorderen Plätzen wurde Finsterbusch zurückgereicht und landete nur auf dem zehnten Platz.

Es geht um Präzision: Wenn alles passt, bist du vorn dabei – wenn nicht, geht es ganz schnell weit zurück.

Eigentlich immer noch eine starke Leistung, aber »in dem Falle nicht mehr als Schadensbegrenzung«, sagt er. Das eingangs erwähnte Wochenende in Most läuft ähnlich. Im ersten Rennen holt Finsterbusch nach dem Kiesbettausflug Rang zehn. Im zweiten Lauf sieht es besser aus – wenn auch nicht ganz nach seinem Geschmack. »Ich habe bis zur Halbzeit um den Sieg mitgekämpft, bin dann aber Opfer meiner eigenen, konservativen Reifenwahl geworden«, erklärt er. Heisst: Die Pellen sind am Ende, kein Grip mehr, keine Kurvenhaftung. Finsterbusch fällt zurück – und verpasst als Vierter das Podest knapp. Und dennoch unterstreicht er seinen Ruf und sein Talent: Er sammelt wieder fleissig Punkte und schiebt sich auf den vierten Zwischenrang der Gesamtwertung nach vorn