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Avantgardisten unter sich

»Wir haben sehr viele Gemeinsamkeiten«, lautet die übereinstimmende Feststellung von Felix Baumgartner, Gründer der Chronometer-Marke Urwerk, und Stéphane Violante, Marketing Projektmanager von Starrag Vuadens. Der grösste gemeinsame Nenner: Beide Unternehmen sind in ihren Branchen Avantgardisten, die mit Innovationen überraschen und verblüffen.

Avantgardistisch: Schweizer Marke Urwerk wagt bei der UR-111C erneut scheinbar Unmögliches – die Realisierung einer mechanischen Armbanduhr mit linearer Zeitanzeige. 

Herr Baumgartner, wichtige Teile Ihrer neuen Armbanduhr – Gehäuse und Uhrwerk – entstehen in Genf bei dem Jobshop Niru auf einem 5-Achs-Bearbeitungszentrum Bumotec s191V von Starrag. Urwerk gilt als avantgardistischer Vorreiter der Branche: Wie werden Sie diesem Anspruch bei der UR-111C gerecht?

Uhrmachermeister Felix Baumgartner, CEO der Marke Urwerk, Zürich und Genf: Die UR-111C setzt eine Idee fort, die wir bereits vor zehn Jahren angegangen sind – die Realisierung von mechanischen Uhren mit linearer Zeitanzeige. Es geht darum, die Zeit nicht mit Ziffern oder Zeiger, sondern in einer fortlaufenden, geraden Linie anzuzeigen. Dabei steht das C für die Schlange Cobra.
 

Die Zeit verbiegt sich also wie eine Schlange?

Felix Baumgartner: Exakt, die Minuten schlängeln sich spiralförmig über eine Walze, während die 111C die Stunde digital anzeigt. Statt einer Krone an der Seite gibt es auf der Oberfläche eine Rolle, die dem Uhrenbesitzer beim Aufziehen ein ganz neues Erlebnis bietet. Ebenso unkonventionell geschieht das Einstellen der Zeit in 15-Minuten-Schritten durch Ziehen eines Hebels. Der Zylinder wird nur mit einer Drehung von 300 Grad aufgezogen, während er die aufgezogene Kraft nutzt, um die letzten 60 Grad zu »springen«. Innerhalb dieses Sprungs wird die Stunde weitergeschaltet.
 

Wie zeigen Sie die Sekunden an?

Felix Baumgartner: Ein feingeschliffenes Glasfaserbauteil überträgt die ebenfalls digitale Sekundenanzeige aus dem Inneren des Uhrwerks. Die Idee stammt von Chefdesigner Martin Frei, der sich zu dieser Konstruktion von einem steinförmigen Kunstwerk auf seinem Schreibtisch inspirieren liess, das wie ein Kristall kleine Objekte realistisch dreidimensional erscheinen lässt. Unser Glasfaserblock funktioniert nicht wie eine Lupe, sondern wie ein optischer Projektor.
 

Wie kommt das 5-Achs-Bearbeitungszentrum Bumotec s191V ins Spiel? 

Felix Baumgartner: Die ungewöhnliche Gehäusekonstruktion lässt sich mit konventioneller Produktionstechnik nicht herstellen. Üblicherweise wird ein Gehäuse von hinten mit einem Deckel eingeschalt. Wir benötigten stattdessen ein dichtes Gehäuse mit einer tiefen, geräumigen Tasche, in die wir das Uhrwerk seitlich einschieben. Dieser Seiteneinschub ist mehr als 20 mm tief, etwa das Doppelte der sonst üblichen Tiefe. Dank dieser Konstruktion liess sich – wie geplant – eine extrem dünne, gut tragbare Uhr realisieren.

Das klingt sehr nach der typischen Denkweise eines Ingenieurs, denn Sie lassen ja Gehäuse und Uhrwerk nicht von ungefähr auf Mikrometer exakt auf einer Werkzeugmaschine fräsen und drehen, die von einem ebenfalls für hohe Schweizer Präzision bekannten Unternehmen stammt. Welche ge- meinsamen Nenner besitzen die Marken Urwerk und Bumotec ausserdem?

Felix Baumgartner: Der Uhrenbesitzer wünscht sich am Handgelenk eine komfortable Armbanduhr, die nicht nur schön aussieht, sondern zugleich ergonomisch ist und die sich leicht tragen lässt. Sie sollte dazu sehr präzise gefertigt und montiert werden. Denn eine Uhr ist nun mal für mich die beste Art von Schmuck, die ein Mann tragen kann.
 

Herr Violante, das klingt doch nach Starrag und seinem Claim »Engineering precisely what you value«?

Stéphane Violante, Marketing Projektmanager bei der Starrag Vuadens SA: Das stimmt, wir starten bei der Maschinenentwicklung stets mit dem Nutzen für den Kunden, hier also der effektivsten Art und Weise, eine völlig neue Armbanduhr herzustellen. 

Was sehen Sie als besondere Herausforderungen an?

Stéphane Violante: Wir setzen ebenso wie Urwerk auf neue Funktionen, neues Design und eine neue Herangehensweise an die Herstellung von hochpräzisen Bauteilen. Ebenso wichtig ist uns die ergonomische Handhabung der Maschine. Beide Firmen treibt daher die gleiche Geisteshaltung an. Auf der Urwerk-Homepage steht: »Es muss eine starke Verbindung zu einem Mechanismus geben, der in dein Handgelenk übergeht. Eine Maschine wird Teil von dir und gibt dir Informationen als Gegenleistung für Energie.«
 

Das wäre die nächste Gemeinsamkeit: Urwerk bezeichnet ein Chronometer auch als Maschine. Doch wie sieht es mit der Herstellung dieser Maschinen aus?

Felix Baumgartner: »Form follows function« gilt auch für uns, wobei wir die praktische Umsetzbarkeit von Ideen gleichfalls als sehr wichtige Funktion ansehen.

Stéphane Violante: Für Urwerk kommt es darauf an, mit der Präzision eines CNC-Bearbeitungszentrums Bauteile zu fertigen, die sich später per Hand gut weiterbearbeiten und zu einem hochkomplexen Chronometer montieren lassen. Ebenso setzen wir von Starrag auf die Kombination von Hightech und Handwerk: So werden die Führungen unserer Werkzeugmaschinen nach wie vor aufwendig manuell geschabt und poliert.
 

Eine wichtige Rolle spielt bei  Werkzeugmaschinen der After-Sales-Service: Was bietet Urwerk hier als besondere Dienstleistung?

Felix Baumgartner:  Ein Urwerk-Chronometer wird alle zwei bis drei Jahre bei uns unter die Lupe genommen. Sie erhalten dazu eine besondere Oberflächenbehandlung, die auch nach Jahren noch das Entfernen von Kratzern per Polieren erlaubt. Das unterscheidet unsere Uhren von vielen anderen Marken. Urwerk steht für mutige Ideen zur Zeitmessung.