Eine neue Maschinendimension für einen Stammkunden
Auf dieses »Weihnachtsgeschenk« hatte sich Henning Albrechtsen lange gefreut. Recht- zeitig erhielt der Inhaber des dänischen Familienunternehmens HACO A/S von Starrag Ende November 2023 eine Droop+Rein-Portalfräsmaschine, die nach den Feiertagen in Betrieb ging. Der 870-Tonnen-Koloss zeichnet sich nicht nur durch sein XXL-Format, sondern auch durch eine ungewöhnlich grosse Unterkellerung auf zwei Etagen aus.
»Der Anwender spart Zeit und Kosten, da weniger Maschinen benötigt werden und weniger Rüstzeiten anfallen.«
Fabian Schwarz, Head of Project Management der Business-Unit Large Parts Machining Systems (LPMS)
»Durch die Integration beider Verfahren lassen sich komplexe Werkstücke mit höherer Präzision und Effizienz herstellen.«
Wir haben noch nie ein derartig aufwendiges Tunnelsystem für eine Produktionsanlage gebaut, das an antike Katakomben erinnert und das auch ich in dieser Form bisher nirgendwo anders sah«, erklärt Hubert Erz, Senior Consultant Sales/Renewables bei Starrag. »Doch diese aufwendige Investition für unseren Stammkunden erleichtert den Servicezugang und die alltägliche Zusammenarbeit mit dem Neuling.« Im Fundament wurden 850 Kubikmeter Beton und 100 Tonnen Stahl verarbeitet: Es offeriert dank der grosszügigen Dimensionierung über zwei Etagen dem Bedienpersonal bequemen Zugriff auf Antriebselemente und andere Bauteile der Droop+Rein-Portalfräsmaschine. Bei dem Produktionsteam kam die Unterkellerung jedenfalls sofort positiv an. Henning Albrechtsen: »Das Fundament bildet die Basis für die Werkzeugmaschine und bestimmt über seine Stabilität und Ausführung die erreichbare Genauigkeit der Maschine mit. Das Tunnelsystem innerhalb des Fundaments bietet eine gute Zugänglichkeit zu allen relevanten Maschinenbaugruppen und damit eine optimierte Servicefreundlichkeit. Weiterhin lässt der ›Keller‹ die Aufstellung von vielen Aggregaten unterhalb der Oberkante Flur zu und trägt somit zu einer deutlichen Geräuschreduzierung bei.« Neue Wege geht der HACO-Geschäftsführer aber nicht nur bei dem Tunnelsystem. Das in der zweiten Generation geführte Familienunternehmen besitzt schon fünf Dörries-Vertikaldrehmaschinen, mit denen es zu einem der führenden dänischen Lohnfertiger von gigantischen Bauteilen in der Windkraftbranche und Offshore-Industrie aufstieg.
Dänisches Teamwork: XXL-Rotorgehäuse für die Windkraftzukunft
Doch Stillstand kann sich auch ein Job-Shop für XXL-Bauteile nicht leisten. So musste HACO den maximalen Umlaufdurchmesser der Karusselldrehmaschinen bereits mehrmals erhöhen. Völlig neue Dimensionen sind beim nächsten Grossauftrag für einen international führenden Hersteller von Windkraftanlagen geplant. Im Mittelpunkt steht die nächste Generation von Offshore-Anlagen mit Rotordurchmessern von mittlerweile mehr als 220 Metern, die mit ihren Direktantrieben 14 Megawatt Leistung erzeugen können. Entsprechend gross fallen die Bauteile aus, die bei HACO und einem dänischen Partner entstehen sollen. Bearbeitet werden ausser Front- und Statorblechen sowie Bremsscheiben vor allem geschweisste Komponenten und mehrere 50 bis 90 Tonnen schwere Rotorgehäuse aus Stahl mit fast elf Metern Durchmesser.
Um entspannt in diese XXL-Zukunft zu blicken, entschied sich Henning Albrechtsen für ein Maschinenduo, das auf ständig wachsende Dimensionen ausgelegt ist. Die erste Anlage, eine Gantry-Portalfräsmaschine mit 100-kW-Fräskopf und 2×111-kW-Master-Slave-Hauptantrieb, vereint zwei unterschiedliche Starrag-Kompetenzen. Erz: »Wir haben in eine Fräsmaschine von Droop+Rein Komponenten aus dem Produktbereich Dörries integriert und so die Technologie Drehen mit der Technologie Fräsen vereint.« Zwischen den Ständern bietet die Maschine einen Abstand von 12.600 mm, die Gantry-Achse verfährt über 14.000 mm und der Meisselschieber erlaubt einen maximalen Hub von 3.500 mm.
»Wir haben in eine Fräsmaschine von Droop+Rein Komponenten aus dem Produktbereich Dörries integriert und so die Technologie Drehen mit der Technologie Fräsen vereint.«
Hubert Erz, Senior Consultant Sales/Renewables
Komplettbearbeitung erhöht die Produktivität
Montage und Inbetriebnahme übernahm ein Starrag-Team unter der Leitung von Fabian Schwarz, Head of Project Management der Business-Unit Large Parts Machining Systems (LPMS) mit den Produktbereichen Droop+Rein, Dörries und Berthiez. Obwohl Grossmaschinen für ihn zum Alltag gehören, ist der Neuling mit seinem hydrostatisch gelagerten, 180 Tonnen schweren Drehtisch mit maximal 350 Tonnen Zuladung schon etwas Besonderes. Für die Maschine spricht die Kombination von Fräsen und Drehen in einem Bearbeitungszentrum. »Durch die Integration beider Verfahren lassen sich komplexe Werkstücke mit höherer Präzision und Effizienz herstellen«, erklärt Schwarz. »Der Anwender spart Zeit und Kosten, da weniger Maschinen benötigt werden und weniger Rüstzeiten anfallen.«
Portal steht, Tisch verfährt
Einen verfahrbaren Tisch besitzt die zweite Maschine. Während bei der Ende 2023 gelieferten Maschine das Portal verfährt, steht hier das Portal und der Tisch verfährt. Erz: »Diese schwerpunktmässig auf Drehprozesse ausgelegte Spezialentwicklung erhält einen neuen Support mit neuer Werkzeugaufnahme, die das Bielefelder Team für kombinierte Fräs-/Drehoperationen ausgelegt und konstruiert hat.« Von den Abmessungen und dem Gewicht her entspricht die 6-Achs-Portaldrehmaschine der Nummer eins, nur der Master-Slave-Hauptantrieb (Leistung: 2 × 136 kW) fällt etwas grösser aus. Ausserdem erhielt die Anlage einen grösseren Werkstück-Umlaufdurchmesser, der sich dank des verfahrbaren Untersatzes von 13.000 auf 15.000 mm vergrössern lässt. HACO kann aber unabhängig davon auf beiden Maschinen alle Werkstücke komplett bearbeiten, sodass sie sich ideal ergänzen und ersetzen. Das Duo zeichnet sich zudem durch hochpräzise Positionierung in allen Achsen aus. Durch ihre elektronische Regelung arbeiten beide Maschinen selbst bei meterlangen Verfahrwegen im Mikrometerbereich.
Doch wie hält es ein Unternehmen, das Bauteile für Windkraft herstellt, mit der Nachhaltigkeit? Dazu heisst es auf der Website: »Als Zulieferer der Energiebranche mit Fokus auf grüne Energie ist es HACOs Anliegen, zu einer möglichst geringen Umweltbelastung im Herstellungsprozess beizutragen.« Diese Einstellung bestätigte den Dänen der TÜV Nord, der das Umweltmanagementsystem nach den strengen Vorgaben EN ISO 14001 zertifizierte. Daher erhalten neue Maschinen stets eine aufwendige Umhausung mit zusätzlicher Absaugeinrichtung, die Mitarbeitende vor Lärm und Aerosolen (Mischung aus Luft und sehr fein verteilten festen und flüssigen Teilchen) schützt. Einen wichtigen Öko-schritt weiter geht HACO nun beim Einsatz des neuen XXL-Duos: Ihr Einsatzort ist das Industriegelände von SM Industrie A/S in Rødekro, mit dem das Familienunternehmen eine enge, langjährige Zusammenarbeit verbindet. Der führende Anbieter von Windkraftstahlkomponenten, seit Kurzem eine Tochter des Stahlhändlers Euro-Steel DANMARK A/S, lieferte bisher geschweisste Rohteile aus dem 100 Kilometer südlich gelegenen Rødekro per Schwerlasttransport an das HACO-Werk in Barrit, das dann die mechanische Endbearbeitung übernahm. Die tonnenschweren Teile, meist ein Set aus Rotorgehäuse, Frontblech, Statorblech und Bremsscheibe, gingen danach auf einer eigens gefertigten Vorrichtung von Barrit zum Hafen von Aabenraa – also den ganzen Weg wieder zurück.
Werksverkehr statt Schwertransport
M stellte seinem langjährigen Partner auf seinem Betriebsgelände eine Halle für das XXL-Duo zur Verfügung, die HACO bis zu sechs Meter tief für aufwendige Fundamente ausbaggerte. Dank ihr entfallen künftig die bisher üblichen Überland-Schwertransporte, die dann schnell und umweltfreundlich als interner Werksverkehr ablaufen. Und der Standort Rødekro liegt in der Nähe der Ostseehäfen Kalvø Havn und Aabenraa, von denen aus Schiffe die gemeinsam hergestellten Anlagenkomponenten zur Montage in ein küstennahes Werk des Auftraggebers umweltschonend transportieren. Das ist auch ganz im Sinn von HACO-Geschäftsführer Henning Albrechtsen: »Es besteht schon seit Langem eine enge Zusammenarbeit zwischen den Firmen HACO und SM. Für dieses neue Projekt mit seinen besonderen Herausforderungen haben wir gemeinsam die kostengünstigste und nachhaltigste Lösung gesucht. Durch die Nutzung einer vorhandenen Produktionshalle war ein Neubau nicht erforderlich. Und da wir uns auf dem gleichen Gelände befinden – sprich Tür an Tür –, liessen sich die Transportwege zwischen Rohteilfertigung, Glühprozess und mechanischer Bearbeitung auf ein Minimum reduzieren und somit Kosten erheblich senken. Dies alles und die Nähe zum elf Kilometer entfernten Hafen tragen zu einer nachhaltigen Lösung bei und entsprechen damit dem grünen Gedanken der Windindustrie.«
Positiv fiel auch die Reaktion seines 87-jährigen Vaters Johan aus. »Als er die Firma HACO aufbaute, hat er von Beginn an in hochwertige Maschinen mit Automatisierung investiert. Die erste Vertikaldrehmaschine war bereits mit einem automatischen Palettenwechsler ausgerüstet«, berichtet Henning Albrechtsen. »Später folgte ein Flexibles Fertigungssystem mit zwei verketteten Vertikaldrehmaschinen. So etwas hatte man in unserer Region bis dahin nicht gesehen. So führen wir die innovative und zukunftsorientierte Vorgehensweise weiter und entwickeln uns mit den Anforderungen der Zeit. Mein Vater hat die erste Maschine schon zweimal besichtigt und freut sich auf die Ankunft der zweiten.« Diese Maschine befindet sich noch in Bielefeld und wird ihre Reise nach Dänemark im ersten Quartal 2024 antreten.
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