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Greifbarer Erfolg

Stahlwille-Gesenkschmiede fertigt Werkzeuge auf Starrag-Bearbeitungszentrum Heckert H55

Stahlberg, Erzwiese und Besucherbergwerk Finstertal: Im Landkreis Schmalkalden-Meiningen deuten viele Namen auf das hohe Erzaufkommen hin. Wegen der Bodenschätze Eisen, Silber und Kupfer entstanden am Rande des Thüringer Waldes seit dem Mittelalter viele Werkzeugwerkstätten, Hütten und Schmieden. Handwerkliche Pioniere wie der SWM-Gesenkbau, die es im frühen 20. Jahrhundert in die Industrialisierung geschafft haben und bis heute bestehen.

Eine Burgruine, ein Hammer und eine Zange: Schon das Wappen von Steinbach-Hallenberg deutet auf die Spezialität der Stadt hin. Hier wird nämlich laut Website noch »mit viel Enthusiasmus die lange Tradition des hiesigen Schmiedehandwerks gepflegt, wofür das Metallhandwerksmuseum und die weltweit einzigartige Korkenzieherwerkstatt eindrucksvolle Beispiele sind«.

Mindestens ebenso eindrucksvoll ist die 60 Jahre alte SWM Werkzeugfabrik, seit 1996 Mitglied der Stahlwille-Gruppe aus Wuppertal, einer der führenden deutschen Werkzeughersteller. Seitdem versorgt die Südthüringer Gesenkschmiede die komplette Gruppe mit Schmiedeteilen für die Produktion hochwertiger Schraub- und Greifwerkzeuge oder für die Herstellung von intelligenter Drehmomenttechnik. Der Gesenkbau zählt zu den besonderen Stärken von SWM, denn seit jeher entstehen in Steinbach-Hallenberg die Werkzeuge in Eigenregie. Hierbei sorgt neben der jahrzehntelangen Erfahrung auch die durchgängige CAD-CAM-Kette für Effizienz und Qualität. Sie zahlt sich spätestens bei der Zuführung der Werkzeuge in eine der teilautomatisierten Fertigungsstrassen aus.

Im Mittelpunkt der neuesten und  modernsten SWM-Fertigungsstrasse steht das neue Starrag-Bearbeitungszentrum Heckert H55. Fertigungsleute sind wahrscheinlich erstaunt, dass eine Gesenkschmiede ein hochpräzises 
Kompaktbearbeitungszentrum einsetzt. Den Grund versteht jeder, wenn er den Ingenieur und seine Ideen kennenlernt, der sich diese Fertigungsstrasse ausgedacht hat.

Enrico Danz: der Daniel Düsentrieb der Gesenkschmiede

Hier kommt der besonders im Werkzeugbau wichtige Faktor Mensch ins Spiel: Wie der Erfolg eines Unternehmens mit den Mitarbeitenden steht und fällt, beweist Enrico Danz. Der heutige Fertigungsleiter startete als Kfz-Mechaniker und absolvierte im zweiten Bildungsweg als SWM-Mitarbeiter ein Maschinenbaustudium. Der Maschinenbauingenieur der Fachrichtung Werkzeugtechnik blieb bodenständig: Danz ist kein Chef, der am Schreibtisch seine Theorien spinnt und dort entscheidet. Der Thüringer kennt jedes Werkstück ganz genau; es gibt keinen Handgriff, den Danz nicht bereits selbst oft gemacht hat. »Um Verbesserungspotenzial zu erkennen, muss ich ja selbst schon mal vor Ort gewesen sein. Anders geht das nicht«, sagt Danz.

»Die Heckert H55 ist ein Arbeitstier. Mit ihr haben wir uns unzählige neue Möglichkeiten erschlossen und es werden ständig mehr.«

Eines Tages erkannte der Pragmatiker, dass sich die Grosszangenfertigung noch weiter optimieren liess. Ihm genügte die sonst typische Vorgehensweise, den Automatisierungsgrad mit Robotern und komplexen, standardisierten Spannvorrichtungen zu erhöhen, nicht. Die Zerspanung war seines Erachtens der Schwachpunkt; das Spannen und Fräsen der Zangenköpfe dauerte ihm zu lange. Ausserdem waren die Spindeln nicht in der Lage, mehr zu leisten. Danz: »Zudem war die Sortenvielfalt stark eingeschränkt und das Umrüsten sehr zeitaufwendig. Also war klar, dass wir die Fertigungslinie neu denken mussten. Unser Ziel war es, die Fertigungsprozesszeit deutlich zu verkürzen und die Rüstzeit so gering wie möglich zu halten.«

Die grösste Herausforderung seines Plans war die Bausubstanz der mechanischen Fertigung. Die Fertigungshalle ist laut Danz »ein DDR-Bau aus den 60er-Jahren, bei dem die Breite des Ständerwerks und die Traglast der Böden den Takt angeben«. Da schlug die Stunde für Chemnitzer Fertigungstechnik: Die Heckert-Kompaktbaureihe zeichnet nämlich eine Eigenschaft besonders aus. Sie bietet maximale Produktivität  bei minimalem Platzbedarf.

Das »Helferlein« aus Schmalkalden

Jeder Kenner der Disney-Comicwelt weiss: Auch ein technisches Genie wie Düsentrieb setzt Ideen nicht allein in die Tat um. Daher arbeitet der Ingenieur aus Entenhausen mit einer Glühlampe auf zwei Beinen, dem Helferlein. Danz' Helferlein stammt aus Schmalkalden und heisst Jan Hilpert: Der Geschäftsführer des Automatisierungsspezialisten ROBOTICS war wieder einmal einer der Ersten, die Danz in seinen neuen Plan einweihte. »Als er mir seine Idee für die neue Fertigungsstrasse vorstellte, war mir die Herausforderung sofort klar«, erinnert er sich. »Wie schaffen wir eine mannlose Schicht bei einer geplanten Produktvielfalt von 26 unterschiedlichen Werkstücken und einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von 30 Sekunden?« Danz ergänzt: »Während Jan sich Gedanken um die Automatisierung machte, beschäftigte ich mich mit der Konstruktion der Vorrichtung, auf der sich vier unterschiedliche Werkstücke spannen lassen.«

Warum holte sich SWM keine Spezialisten für Vorrichtungsbau ins Projekt? »Alle Vorrichtungsbauer, die ich fand, hatten kaum Erfahrung mit Schmiedeteilen und deren Toleranzen«, winkt Danz ab. »In unserem speziellen Fall waren es schwankende Fertigungstoleranzen bedingt durch die Schrumpfungsraten beim Gesenkschmieden. Kurz, das war nicht deren Universum. Deswegen war es wohl die klügste Entscheidung, die eigene Expertise und planerische Kapazität zu nutzen.«

Hochpräzision in der Schmiede – mit Kanonen auf Spatzen?

Das Thema Fertigungstoleranzen ist in der Tat spannend: Was nutzt einem Betrieb, dessen übliche Toleranzen einige Zehntelmillimeter betragen, ein hochpräzises Bearbeitungszentrum wie die Heckert H55? »Im gewöhnlichen Einsatz mag die Genauigkeit der entscheidende Faktor sein, aber bei uns waren die Stabilität, der Platzbedarf und die erstaunliche Flexibilität der Heckert ausschlaggebend«, meint der Fertigungsleiter. »Derzeit sind wir noch damit beschäftigt, die geplanten Produkte Zug um Zug auf die Maschine zu bringen, doch es kommen ständig neue dazu.

Wir bekommen nun auch Teile aus Schwesterunternehmen herangereicht, bei denen umschlagseitig bearbeitet und am Ende zusammengefügt werden muss. Seitdem wissen wir die Präzision und Wiederholgenauigkeit unserer neuen Maschine zu schätzen.«

Die Gesenkschmiede braucht sehr robuste und vielfältig einsetzbare Vorrichtungen, die zum Beispiel auch schon eine halbe Tonne wiegen. »Das steckt die Heckert bei einer maximalen Belademasse von 800 kg locker weg«, erzählt Danz. »Die Heckert hält mit einer unfassbar steifen und optimal gedämpften Spindel so sehr dagegen, dass ich meine HSS-Profilfräser an ihre Leistungsgrenzen bringen kann. So konnten wir die Schnittgeschwindigkeiten in Kombination mit der eigens entwickelten Vorrichtung um ca. 40 % gegenüber der bisherigen Fertigung erhöhen. Zudem können Anfahrstrategien programmiert werden, die weitere Optimierungspotenziale offenbaren. Mit der H55 lassen sich ganz neue Werkzeugkonzepte bei der Zerspanung ins Leben rufen, die früher nicht möglich waren.«

Schnelles Umrüsten erleichtert das Automatisieren

Aber nicht nur bei der Stabilität, sondern auch bei der Flexibilität kann das Bearbeitungszentrum punkten. »Die Belademasse ist für mich auch ein Punkt für die Flexibilität, weil sie mir mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei der Vorrichtung gibt«, meint Danz und nennt ein weiteres Beispiel für Flexibilitätsgewinn: »Früher habe ich manuell manche Teile in einer halben Schicht mechanisch bearbeiten lassen. Heute bin ich dank der Heckert so schnell beim Umrüsten, dass ich selbstverständlich automatisiert laufen lasse und den Mitarbeiter an anderer Stelle einsetze. Das Umrüsten dauert nämlich nur noch knapp über eine halbe Stunde, dann läuft bereits das nächste Teil. Im Palettenfolgebetrieb sind es auch schon mal schnell zwei, drei oder vier Teile.«

Spontan fällt das Wort »alles« auf die Frage, was ihn an der Heckert besonders erfreut. Danach aber grübelt der Daniel Düsentrieb aus Südthüringen und meint schliesslich: »Die Heckert ist ein Arbeitstier. Mit ihr haben wir uns unzählige neue Möglichkeiten erschlossen und es werden ständig mehr. Das macht mir jedes Mal aufs Neue Spass. Mit diesem Wissen traue ich mich jetzt auch, ganz andere Teile aus unserem Portfolio neu zu denken, was die Zukunft noch spannender macht. Da hinten steht übrigens schon die zweite, baugleiche Heckert H55.« 

Keine Angst vor Geschwindigkeit!

Erleben Sie DIE hochdynamische Lösung, die trotz blitzschneller Positionierung auch ehrgeiziges Schneiden von Werkstücken bis zu 1,5 Tonnen beherrscht! Im Video stellen Starrags CSO Alexander Attenberger und Experten aus dem Werk in Chemnitz die neue Heckert H65 vor.